HYDROTHERMALE GRUNDLASTWäRME

Kaiserbäder Usedom – Untersuchungen zur Grundlast-wärmeversorgung aus hydrothermaler Geothermie

Das Forschungsvorhaben wurde zwischen September 2006 und März 2008 in Zusammenarbeit mit der Geothermie Neubrandenburg GmbH  durchgeführt. Es wurde vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gefördert (Förderkennzeichen: 0327604).
Das Projekt ist in zwei Teile gegliedert, deren Berichte getrennt vorliegen:

Teil I: Hydrothermale Lagerstättennutzung mit Multidublettensystemen im Ein- und Zweischichtverfahren (Geothermie Neubrandenburg GmbH)
Teil II:  Betriebsalternativen für ein geothermisch gespeistes Nahwärmenetz (DISA energy GmbH)

Die wissenschaftliche Zielstellung des Vorhabens wurde wie folgt umschrieben:

  • Dreidimensionale geohydraulische und thermodynamische Modellierung
  • Entwicklung eines thermisch-hydraulischen Modells sowohl für die Fixierung der Bohrlochabstände als auch für die Anordnung der Bohrungen im Mehrschichtverfahren
  • Erarbeitung von Bemessungskriterien für die sich daraus ergebenden Bewilligungsfelder (vier Dubletten in der Region)
  • Optimierung der Versorgung der Abnehmer mit Grundlast und der Deckung der Spitzenlast durch dezentrale (eigene) Wärmeerzeugungsanlagen
  • Entwicklung von Kriterien der Optimierung auf der Grundlage des regenerativen Energieangebotes Erdwärme bei jeweiliger Sicherung der benötigten Vorlauftemperatur
  • Fahrweise des Erdwärmerings auf der Grundlage der vier Dubletten und unterschiedlicher Betriebszustände (Revision, Sommerbetrieb usw.)
  • Erfassung der Sonderabnehmer nach ihren Spezifika bzw. nach ihrem Wärmebedarf (qualitativ und quantitativ) und Berechnung der zur Verfügung stehenden Grundlast aus dem Erdwärmering

Im Ergebnis wurde ein durchgängiges Modell der Erdwärmegewinnung und des Erdwärmeeinsatzes auf der Grundlage von Innovationen und neuer Technologien zur Weiternutzung an anderen Geothermiestandorten vorgelegt.

Im Ergebnis der Untersuchungen stellte sich heraus, dass das Zweischichtverfahren aufgrund seiner systembedingten geringeren Investitionen unter bestimmten Bedingungen eine wirtschaftliche Alternative für die Erschließung der geothermischen Ressourcen am Standort darstellt.

Das Zweischichtverfahren nutzt den stockwerkartigen Aufbau und das Vorhandensein mehrerer übereinander liegender thermalwasserführender Schichten (Aquifere) im Untergrund. Dabei wird aus einem Aquifer heißes Wasser gefördert, welches abgekühlt in einen zweiten Aquifer re-injiziert wird. Beide Grundwasserleiter müssen durch ein entsprechendes Zwischenmittel hydraulisch voneinander getrennt sein. Ferner darf kein Wärmeübergang zwischen den Wässern in den betreffenden Aquiferen auftreten. Um bei größeren Förderraten einen hydraulischen Ausgleich innerhalb der jeweiligen Aquifere zu erreichen, muss an einem zweiten mehrere Kilometer entfernten Standort eine zweite Dublette errichtet werden, deren Funktionsweise der ersten umgekehrt ist.

Prinzipskizze des Mehrdubletten-ZweischichtverfahrensAbb.: Prinzipskizze des Zweischichtverfahrens

Das Zweischichtverfahren lässt deutlich geringere Investitionen für das Erstellen der Dublette erwarten. Dies basiert zum einen auf der geringeren Teufe der zweiten Bohrung. Zum anderen ist hier kein Mindestabstand von Förder- und Injektionsbohrung unter Tage erforderlich, so dass im Unterschied zu einem seiger geplanten konventionellen Einschichtverfahren kein zweiter Bohrplatz notwendig ist bzw. beim Teufen der Bohrungen von einem Bohrplatz aus (eine oder zwei Richtbohrungen) die Richtbohraktivitäten entfallen. Neben der Ersparnis auf der Investitionsseite sind zwei seigere Bohrungen, wie sie beim Zweischichtverfahren immer vorliegen, darüber hinaus mit einem deutlich geringeren technischen Aufwand und damit einer größeren Sicherheit verbunden.

In Bezug von der DISA energy GmbH untersuchten Betriebsalternativen für ein geothermisch gespeistes Nahwärmenetz wurden seinerzeit folgende Ergebnisse erzielt:

Die optimale Abnahmecharakteristik zeigen am Standort Hotels mit Sauna- und Wellnessbereichen. Dies ist zum einen in deren relativ konstanter Wärmeabnahme (über die Zeit), und zum anderen in deren relativ hohem Anteil der Grundlast an der Gesamtwärmeabnahme begründet.

Ausgehend von der entsprechend entwickelten Jahresdauerlinie sowie den Ergebnissen einer Datenerhebung am Standort Bansin konnte der Wärmeenergiebedarf für diesen Ort unter Hinzuziehung der lokalen Klimadaten unter bestimmten Szenarien bestimmt und als Basis für die weiteren Untersuchungen verwendet werden.

Aus dem sehr hohen erwarteten Anteil an Hotels mit Badelandschaften und Wellnessbereichen lässt sich das Konzept einer Grundlastwärmeversorgung aus den geothermischen Quellen über ein Nahwärmenetz entwickeln. Die notwendige Spitzenlastabdeckung erfolgt dabei dezentral aus den bestehenden erdgasbasierten Kesselanlagen der Abnehmer. Eine gleichzeitige Absenkung der benötigten Vorlauftemperaturen bei den Nutzern führt zu deutlichen Effizienzsteigerungen und damit zu spürbaren wirtschaftlichen Vorteilen. Je nach Szenario, d. h. je nach dem Grad der Anpassung der Vorlauftemperatur des Abnehmerheizsystems an den Netzvorlauf, können zwischen 30 % und 100 % der Erdgaskosten für die Zuheizung eingespart werden.

Für die Zeit nach dem Ende der Lebensdauer der bereits bestehenden Kesselanlagen sind drei Varianten der Spitzenlastdeckung durch dann zu tätigende Neuinvestitionen diskutiert worden. Hier ist neben der Weiterverfolgung des dezentralen Spitzenlastkonzeptes, also der Errichtung neuer Kessel bei den einzelnen Abnehmern, vor allem die Möglichkeit der Installation von dezentralen Wärmepumpenanlagen zu nennen. Demgegenüber stehen die Investitionen in eine zentrale Spitzenlastanlage mit dem Vorteil der Bündelung des Brennstoffeinkaufs und damit entsprechenden Kosteneinsparungen. Eine gesicherte Quantifizierung dieser Vorteile ist allerdings aufgrund der hohen Volatilität der Erdgaspreise momentan nicht möglich.

Die Untersuchungsergebnisse zeigen ferner, dass die Errichtung eines Erdwärmeringnetzes die Versorgungssicherheit wie erwartet erhöht. Eine entsprechende Reserve hinsichtlich der Havarie von einer oder sogar mehreren Dubletten kann kurzzeitig ausgeglichen werden, ohne dass die Havarielast durch die Nutzung der dezentralen Kesselanlagen voll übernommen werden müsste. Anders ausgedrückt bedeutet dies nach aktuellem Kenntnisstand auch, dass eine gewisse Reserve in der installierten Anschlussleistung besteht.

Prinzipskizze zum Aufbau des Ringnetzes am Standort Kaiserbäder
Abb.: Prinzipskizze zum Aufbau des Ringnetzes am Standort Kaiserbäder

Ausgehend von den unterschiedlichen Parametern der Heizsysteme der einzelnen Abnehmer war weiterhin das Problem unterschiedlicher Vorlauftemperaturen zu lösen. Hier ist einerseits durch das Konzept der dezentralen Spitzenlastkessel die Möglichkeit gegeben, im Falle einer benötigten höheren Vorlauftemperatur, als das Nahwärmenetz sie anbietet, entsprechend zuzuheizen. Andererseits konnte gezeigt werden, dass die technologische Senkung der benötigten Vorlauftemperatur in Richtung der vom Wärmenetz angebotenen Temperatur im Bereich von 80 °C den für das Zuheizen zu veranschlagenden Erdgasverbrauch signifikant senkt und damit zu großen Einsparungen im Bereich der Energiekosten führt. Dies bedeutet gleichzeitig einen höheren Entkopplungsgrad von der Abhängigkeit des aktuell stark steigenden Erdgaspreises und damit eine höhere Planungssicherheit der Wärmeverbraucher.

Die weitere Detaillierung der Ergebnisse und Erkenntnisse des Vorhabens sowie die Weiterentwicklung und Umsetzung der Schlussfolgerungen wird derzeit im aktuellen Forschungsprojekt: „Untersuchung der Machbarkeit des Zweischichtverfahrens zum Aufbau einer netzgebundenen Wärmeversorgung in bestehenden dezentralen Infrastrukturen im Norddeutschen Becken“ betrieben.